Einstein-Syndrom

11.                       Sensibilität

 

„Was wirklich zählt, ist Intuition.“

 

 

Menschen mit dem Einstein-Syndrom sind Persönlichkeiten, mit einer erhöhten Empfindlichkeit. Mithilfe unserer intensiven Sinneswahrnehmung entwickeln wir ein Gespür für unsere Umwelt, mit dem wir Objekte, Situationen oder die Stimmungen unserer Mitmenschen unbewusst taxieren. Es ist die Fähigkeit des intensiven Empfindens, Mitfühlens und der Eingebung in komplexe Sachverhalte.

 

Diese Eigenschaft gehört zu unseren herausragenden Fähigkeiten. In Kombination mit unserem emotionalen Gedächtnis wird sie zur Intuition, mit deren Hilfe wir uns ohne bewusste Schlussfolgerung in kürzester Zeit ein Urteil über eine Situation oder Person bilden können. Dies schafft ein Gefühl der Sicherheit oder Unsicherheit, des Vertrauens oder Misstrauens.

 

…Dies zeigte sich beim Essen so, dass ich extrem langsam aß, oder sogar überhaupt nicht essen konnte, sobald irgendwelche Spannungen in der Luft waren… (Ryffel-Rawak [73], S. 51)

 

Wir sind sie stets auf der Hut und gewarnt. Eine Begabung, auf Anhieb eine gute Entscheidung treffen zu können, ohne die zugrunde liegenden Zusammenhänge explizit zu verstehen. Unsere Intuition ermöglicht spontane Entscheidungen aus dem Bauchgefühl heraus, oft auch dann, wenn bestimmte Gründe vorliegen, die eine andere Entscheidung nahe legen. Ein Frühwarnsystem, das bei drohender Gefahr aktiv wird. Dabei empfanden wir Umgebungssignale, die dann unverzüglich auf potentielle Gefahren hin analysiert werden. Sollte eine Situation als „gefährlich“ interpretiert werden, schlägt unser Bewusstsein Alarm, so dass wir die Möglichkeit haben, eine unmittelbare Änderung unseres momentanen Verhaltens einzuleiten. Einige von uns, die auf diese Weise rechtzeitig einer Gefahrensituation entronnen sind, führen dies dann gerne eine scheinbar übersinnliche Gabe zurück.

 

…Ich war lange Zeit krank. Als ich dann wieder zur Schule gehen konnte und das Klassenzimmer betrat, fiel mir augenblicklich die angespannte Stimmung auf, obwohl die meisten schwatzten oder anderweitig beschäftigten. Meine erste Frage an meinen Pultkameraden war, ob es eine Probe geben würde. Er bejahte dies und fragte mich, wer es mir mitgeteilt habe, da es eigentlich seien Aufgabe gewesen wäre, mir dies telefonisch mitzuteilen und er es vergessen hatte. Er war dann entsprechend erstaunt, wie ich ihm sagte, dass ich es gleich gefühlt hätte, als ich ins Klassenzimmer trat… (Ryffel-Rawak [60], S. 50)

 

 

11.1 Ursachen

 

Unsere Intuition resultiert aus unserer gefühlvollen Orientierung und unserer  »inneren«  Logik von Gegebenheiten durch frühere Erfahrungen. Diese Erfahrungen wurden in unserem Langzeitgedächtnis als Emotionen zu einem positiven oder negativen Gefühl verknüpft und dort gespeichert. Wird nun ein Objekt, eine Situation oder eine Person durch das spürbar einsetzende Erleben dieser Emotionen erkannt, wird das Gefühl, welches mit dieser Emotion verknüpft ist hier im weitesten Sinn wieder bewusst gemacht. Die aus diesem Gefühl stammenden Informationen werden somit zum Abgleich der Verhältnisse zugänglich und steuerbar. Diese Begabung ermöglicht uns Situationen in Sekundenbruchteilen unbewusst als komplexes Gefühl zu erfassen und mithilfe von sich ständig weiterentwickelnden korrigierenden Kognitionen aus unseren Lebenserfahrungen heraus angepasst zu reagieren. So kann beispielsweise schon durch eine bestimmte Mimik kombiniert mit einer Gestik das Gegenüber als unglaubwürdig bloßgestellt werden.

 

 

11.2 Eingebung

 

Unsere intensive Sinneswahrnehmung lässt uns die Tatsächlichkeit der Verhältnisse erkennen. Durch das Scannen und Taxieren unserer Umwelt, werden Informationen von unserem Bewusstsein sehr detailliert aufgenommen. Unser Bewusstsein ermöglicht uns dabei eine Informationsverarbeitung bei großer Komplexität der zu verarbeitenden Daten. Dadurch führt es sehr oft zu richtigen bzw. optimalen Ergebnissen.

Die Informationen werden zuerst unbewusst verarbeitet. Das Bewusstsein wird dann eingeschaltet, wenn das Unterbewusstsein auf eine Lösung gestoßen ist. Dies führt besonders in komplexen Situationen zu besseren Entscheidungen als mit dem bewussten Verstand, da das Unbewusste in der Lage ist, weitaus mehr Informationen zu berücksichtigen als das Bewusstsein, das zwar sehr präzise ist, jedoch mit nur wenigen Informationen arbeitet.

 

Es ist die Fähigkeit, Ursachen und Auslöser zu erkennen, ohne sie explizit zu verstehen und die daraus resultierenden Auswirkungen durch logische Schlüsse zu prognostizieren. Eine instinktive Antwort auf das „wie, warum und was folgt daraus?“. Intellektuell empfinden wir uns dadurch als intensiver und gründlicher analysierend, mit einer Affinität zur Spiritualität.

 

…Ich habe oft die Erfahrung gemacht, dass ich anders wahrnehme als meine Mitmenschen. Ich assoziiere anders, meine Gedankenwelt baut auf einer Logik, die mich in den Erklärungsnotstand treiben kann… (Ryffel-Rawak [11], S. 46)

 

Intuition muss für uns aber nicht unbedingt eine sofortige Lösung bedeuten, oft hilft es, wenn wir eine Nacht darüber zu schlafen:

 

…In meiner Tätigkeit als Programmierer ist es mir mehrmals passiert, dass ich an einem Tag ein Problem anging und alle Fakten für eine Problemanalyse zusammentrug, ohne zunächst eine Lösung zu finden. Am nächsten Morgen beim Aufwachen lag die Problemlösung dann ausgereift und durchdacht vor und ich brauchte sie nur noch in die Tat umzusetzen…

(Ryffel-Rawak [18], S. 41 – 42)

 

 

Kognitive Eingebung: Objekte und Situation verstehen und erklären.

 

„Ich erinnere mich noch genau daran, als ich das erste Mal die Landung des Rettungshubschraubers aus unmittelbarer Nähe erleben durfte. Die Rotoren, die mit dumpfen Lauten die Luft zerschnitten, der starke Wind, dessen Strömung Gras, Bäume und mich zurückdrängte. Diese Emotionen schafften ein Gefühl für diese Situation, das noch heute da ist. Ich spürte, wie sich der Hubschrauber durch die Luft nach oben zog, wie eine Schraube, die sich durch ein Gewinde dreht.“ (Betroffener)

 

 

Schlussfolgernde Eingebung: Objekte und Situationen bewusst oder unbewusst einordnen und nachempfinden, um daraus einen Zusammenhang zu entschlüsseln.

 

„Ich hatte plötzlich eine Eingebung, wie man das Problem lösen könnte ohne wirklich darüber nachzudenken.“ (Betroffener)

 

 

11.3 Empathie

 

Wir zählen zu den einfühlsamen und mitfühlenden Menschen und fallen schon im Kindergarten auf, da wir meist über herausragende soziale und psychologische Fähigkeiten verfügen und mitunter sehr exotische Methoden zur Lösung von Problemen oder zur Schlichtung von Konflikten beherrschen, bei denen die Standardmethoden versagen. Wir spüren meist, wenn das Gegenüber schlechte Laune oder Sorgen hat und können seine Gefühle und Gedanken gut einschätzen.

 

…Ich erkenne viele Probleme und soziale Konflikte in den verschiedensten Lebensbereichen, bevor andere etwas merken; sie sind dann entweder froh, darüber zu hören, oder aber verschließen Augen und Ohren. Erst jetzt erkenne ich langsam, dass diese Begabung – richtig eingesetzt – sehr wertvoll ist…

(Ryffel-Rawak [61], S. 96)



Kognitive Empathie: Das Verhalten anderer verstehen und antizipieren.

 

…Sie war wie ich sehr feinfühlig, wir verstanden uns ohne Worte…

(Ryffel-Rawak [62], S. 140)

 

  • Korrektes Entschlüsseln nonverbaler Botschaften

„Ich weiß, wenn jemand gekrängt oder verletzt ist, auch wenn er es nicht sagt.“

 

  • Ähnliche Gedanken und Erinnerungen erleben

„Es ist kein Wunder, wenn man nach und nach Menschenverächter wird.“

 

 

Emotionale Empathie: Mitfühlen und nachempfinden.

 

  • Die gleichen Emotionen wie das Gegenüber empfinden.

„Ich werde leicht von Begeisterung oder Trauer anderer mitgerissen.“

 

  • Auslöser gleicher physiologischer Reaktionen

„Ich werde wütend, wenn jemand respektlos behandelt wird.“

 

  • Auslösen helfender oder unterstützender Handlungsimpulse

„Ich verspüre einen starken Drang etwas zu unternehmen, wenn jemand außer Fassung gerät.“

 

 

Albert Einstein über Empathie:

…Vernünftiges Handeln in der menschlichen Sphäre ist nur möglich, wenn man die Gedanken, Motive und Befürchtungen des anderen zu verstehen versucht, so dass man sich in seine Lage zu versetzen weiß… (Liß [43])

 

 

11.4 Hypersensibilität

 

Bei einigen von uns ist die Intensität und Sensibilität noch intensiver. Dies sind die Hypersensiblen unter uns. Ihre Reizverarbeitung benötigt noch mehr Zeit und Energie für die Integration der Informationen. Dadurch wirken diese Menschen meist überempfindlich und nervös. Doch ist die Nervosität im profanen Sinne meist eine persönliche unverhältnismäßig starke Reaktion auf Reize.

Die Hypersensibilität ermöglicht ein sehr intensives Erleben und Verstehen der Umwelt in einer komplexen Gefühlswelt. Sie ist nur sehr schwer zu erklären und zu verstehen. Das Individuum besitzt beispielsweise die Fähigkeit sogar Kunst und Musik mit sehr intensiven Gefühlen zu verbinden und kann dadurch regelrecht nachempfinden, was der Schöpfer damit auszudrücken versucht oder wie er sich selbst währenddessen gefühlt hat.

 

Allerdings ist die Hypersensibilität nicht immer ein Vorteil. Zwar bringt sie ein hohes Maß an Verständnis und sehr enge zwischenmenschliche Beziehungen mit sich, dennoch ist es häufig der Fall, dass die Hypersensiblen unter uns bei gewöhnlichen Menschen auf Unverständnis stoßen, nicht zuletzt, weil sie dem Verhalten des Anderen oft zu viel Bedeutung beimessen und daraus mitunter sehr weitreichende Schlüsse ziehen. Da sie sich von ihrem Umfeld nur selten verstanden fühlen, grenzen sich viele aus oder haben einen Hang zum Perfektionismus.

 

Hinzu kommt, dass die Hypersensiblen unter uns wesentlich reiz- und schmerzempfindlicher sind. Deshalb werden sie oft als Sensibelchen oder Schwächling beschimpft.

 

…Es gab gewisse Dinge, die konnte ich einfach nicht berühren. Schon allein der Gedanke daran, dass meine Haut damit in Kontakt kommen könnte, verursachte bei mir ein Gefühl des Unbehagens und des Ekels. Es schüttelte mich und ich bekam ‹‹lange Zähne››…

…All diesen Dingen war gemeinsam, dass sei eine für meine Empfindung raue und kratzige Oberfläche hatten. Am Schlimmsten waren unglasierte Gegenstände aus rotem, gebranntem Ton, also Blumentöpfe und Terrakotta-Figuren. Da stellten sich bei mir die Haare auf und ich merkte, wie sich alle meine Muskeln verspannten und zusammenzogen…

…Und dann gab es noch die Pfirsiche mit ihrer für mich rauen Haut. Und am Schlimmsten war es, wenn ich das in den Mund nehmen und mit meinen Zähnen berühren musste…

(Ryffel-Rawak [63], S. 43)

 

Durch die Reizüberflutung stoßen sie schneller an ihre psychischen und physischen Belastungsgrenzen als der Rest von uns. Die Hypersensibilität hat jedoch absolut nichts mit mentaler oder körperlicher Schwäche gemeinsam, da diese Menschen ein genauso dickes Fell wie ihre Artverwandten haben und dadurch wesentlich mehr einstecken können, als gewöhnliche Menschen.

 

 

11.5 Hochbegabung

 

Hypersensible Einstein-Syndrom-Menschen sind hochbegabt, wirken sie auch noch so introvertiert, verträumt und zerstreut auf ihre Mitmenschen. Diese Begabung kann nicht mit einem IQ dingfest gemacht werden, hat sie doch nicht zwangsläufig etwas mit bewusstem rationalem und sachlichem Verständnis gemeinsam. Vielmehr ist sie die Fähigkeit der unbewussten Verarbeitung von Informationen durch Gefühle, welche zu einer intensiven Eingebung in die Tatsächlichkeit der Verhältnisse führt und dadurch das Individuum zu instinktiv richtigen Erkenntnissen, Entscheidungen und Reaktionen befähigt. Viele hypersensible Einstein-Syndrom-Menschen glauben deshalb von sich eine übersinnliche Gabe zu besitzen und finden sich häufig in esoterischen Kreisen wieder.

 

Unsere Intuition ist jedoch nicht auf eine übersinnliche, sondern eine sehr intensive emotionale Wahrnehmung zurückzuführen, die mit einem Instinkt gleichgesetzt werden kann, den sonst nur Tiere besitzen.


 

 

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Einstein-Syndrom 2012-12-21  |  Copyright © 2014 Dirk Lostak