Einstein-Syndrom

21.                  Schlussfolgerung

 

„Mache die Dinge so einfach wie möglich,

aber nicht einfacher.“

 

 

21.1 Indikatoren

 

Die außergewöhnlichen Eigenschaften des Einstein-Syndroms kann man als:

 

permanente Ablenkbarkeit, impulsives Reden und Handeln; innere Unruhe und Ungeduld; unermüdlichen Bewegungsdrang; Intoleranz gegenüber Langeweile, chaotische Lebensweise; schnelle Gereiztheit und Frustrationen; häufige Stimmungswechsel; ständige Suche nach Abwechslung; hohe Widerstandsfähigkeit; große Neugier und Begeisterungsfähigkeit; innovatives, assoziatives und kreatives Denken; ausgeprägtes visuell-räumliches Vorstellungsvermögen; erfahrungsorientiertes Lernen, emotionales Empfinden und Erinnern; besondere Intuition; außergewöhnlichen Altruismus und Gerechtigkeitssinn bezeichnen.

 

Und doch ist das Einstein-Syndrom vielmehr als eine Ansammlung von Merkmalen.

 

 

21.2 Norm

 

Obwohl jede Materie des Universums aus dem Chaos der Natur entsteht und sich in einer Artenvielfalt weiterentwickelt, fühlt sich der Mensch seit jeher dazu berufen alles in unserer Welt nach seinen Maßstäben in „normal“ und „nicht normal“ zu unterscheiden. Aber wer ist normal? „Normal“ zu sein, bedeutet nicht mehr, als den Idealen (Vollkommenheitsmuster von Gestalt und Verhalten) einer sozialen Gruppe zu entsprechen. Alles, was nicht diesen Idealen entspricht, wird als „nicht normal“ und somit als Schwäche (Krankheit) bezeichnet.

 

Das Verhalten von Einstein-Syndrom-Menschen wurde schon lange Zeit bevor Wissenschaftler eine neurologische und genetische Konstitution erkannten als auffällig oder krank beschrieben.

 

Bereits in der Antike sollen verschiedene Merkmale vom griechischen Arzt Hippokrates von Kos erwähnt worden sein. Auch der Frankfurter Psychiater Dr. H. Hoffmann beschrieb schon 1847 entsprechende Verhaltensweisen in seinem Kinderbuch „Struwwelpeter“ (Kurzgeschichten: Struwwelpeter; Zappelphilipp; Hanns-guck-in-die-Luft; Suppen-Kaspar). Hoffmann betrachtete diese jedoch als Erziehungsprobleme und nicht als Krankheit.


1901 schrieb Sigmund Freud in seiner Schrift ″Zur Psychopathologie des Alltagslebens″:

…„Es gibt Menschen, die man als allgemein vergesslich bezeichnet und darum in ähnlicher Weise als entschuldigt gelten lässt wie etwa den Kurzsichtigen …“ Freud vermutete als Grund eine „… Abänderungen der Blutversorgung im nervösen Zentralorgan …“ (Wikipedia [94])

 

 

21.3 Soziales Verhalten

 

Das Sozialverhalten einer Gesellschaft wird durch Moral und Ethik definiert. Ihre Sitten werden in ihrer Gesamtheit im Sinne einer moralischen Autorität verstanden, welche den Wertevorstellungen der Mehrheit entspricht.

Die daraus resultierenden Regeln und Normen sind Erwartungen der Gesellschaft (Disziplin) an das Erscheinungsbild und Verhalten von Individuen. Wer diese Erwartungen durch sein Äußeres oder sein soziales Verhalten nicht erfüllt, wird zwangläufig zum gesellschaftlichen Außenseiter.

 

Wenn man auf die Geschichte zurückschaut wird einem nach und nach bewusst, dass es oft Einstein-Syndrom-Menschen waren, die durch ihr liberales Gemüt und ihren Individualismus stets mit der konservativen Ideologie aneckten und den Kollektivismus immer wieder kritisierten. (Siehe Anhang)

 

Unser naturverbundener, freier und gemeinschaftlicher Sinn könnte demnach zu vielen kulturellen Einflüssen und politischen Veränderungen in der Geschichte geführt haben: (Buddhismus; Auswanderungswelle nach Amerika; Amerikanische Unabhängigkeit und Verfassung; Französische u. Deutsche Revolution; Indische Unabhängigkeit; Hippiebewegung; Greenpeace; Punkbewegung; Animals’ Angels)

 

 

21.4 Was ist das Einstein-Syndrom?

 

Wenn wir die vielen unterschiedlichen Eigenschaften, welche aus dieser Arbeit hervorgehen mit den Symptomen der ADHS und HSP vergleichen, besteht eindeutig ein direkter Zusammenhang. Was ist das Einstein-Syndrom also letztendlich? Eine neurologische Störung, eine medizinische Disposition oder eine biologische Besonderheit?

 

Gehen wir davon aus, dass eine Störung oder Krankheit eine seelische oder körperliche Schwäche darstellt, die uns beeinträchtigt, gibt es unter uns Einstein-Syndrom-Menschen viele Defizite in den Verhaltensweisen und Fähigkeiten im Vergleich zu „normalen“ Menschen. Bei der ADHS wurden diese medizinisch und psychologisch geklärt.

 

Was ist aber mit den besonderen Fähigkeiten, die aus unserem andersartigen Bewusstsein hervorgehen, wie die spezielle Wahrnehmung oder die ausgeprägte Phantasie und Intuition? Wenn man das Syndrom als Störung oder Krankheit kategorisieren möchte, ist es entscheidend, diese Fähigkeiten den allgemein bekannten Defiziten gegenüberzustellen und einen Vergleich durchzuführen.

 

 

21.5 Alles ist relativ

 

Ein gutes Beispiel für einen Vergleich ist unsere Aufmerksamkeit. Das Defizit in unserer Aufmerksamkeit ist darauf zurückzuführen, dass es uns nicht möglich ist sich länger auf eine für uns als uninteressant empfundene Aufgabe zu konzentrieren. Hierbei werden wir sehr leicht durch äußere Reize oder eigene Gedanken abgelenkt.

 

Allerdings sollten wir hier primär die Bedeutung der Aufmerksamkeit klären. Was ist Aufmerksamkeit also? Die Konzentration aller Sinne auf eine bestimmtes Objekt oder eine Situation, oder die sensible und detaillierte Wahrnehmung gleich mehrer Reize aus der Umwelt? Man könnte hier zwischen fokussierter und verteilter Aufmerksamkeit unterscheiden. Dem zufolge hätten gewöhnliche Menschen eine fokussierte Aufmerksamkeit (Visier), während unsere Aufmerksamkeit breiter und zerstreuter ist (Panorama).

 

Kann man unsere Aufmerksamkeit somit wirklich als reines Defizit oder vielleicht sogar eher als einen Vorteil anerkennen? Diese Frage wird durch alltägliche Situationen beantwortet.

 

 

21.6 Nachteile

 

Menschen mit dem Einstein-Syndrom sind im multimedialen Zeitalter einer wesentlich höheren Belastung durch die Reizüberflutung ausgesetzt. Insbesondere der Zeitdruck, wachsende Verpflichtungen, permanenter Wettstreit, strenge Regeln, Normen und Qualifikationen wirken sich dabei sehr negativ aus und stoßen uns an unsere geistigen und körperlichen Grenzen. Nur wenige von uns können somit ihr Potenzial ohne ernsthafte Stressfaktoren noch uneingeschränkt ausschöpfen. Im Allgemeinen werden diese Schwächen somit wohl eher als Defizite betrachtet.

 

Unsere andersartige und sensiblere Denk-, Gefühls- und Verhaltensweise wird, wie es bei einer Minderheit üblich ist, folglich als nicht normal und krank etikettiert.



21.7 Persönliche Auffassung

 

Die Erkenntnis, welche mich zu dieser wissenschaftlichen Arbeit inspiriert hat, ist auf meine ausgeprägte Intuition zurückzuführen. Diese besondere Eingebung ermöglicht es mir komplexe Sachverhältnisse zu entschlüsseln und die daraus resultierenden Konsequenzen zu schlussfolgern. Außerdem befähigt sie mich, andere Einstein-Syndrom-Menschen instinktiv zu identifizieren, eine Begabung, zu deren genaueren Erläuterung durch Worte ich nicht fähig bin. Diese Fähigkeit führt mich aus meiner inneren Überzeugung heraus zu der Prämisse, dass ca. 20 % der Weltbevölkerung zu den Einstein-Syndrom-Menschen zählen.

 

Die besonderen Fähigkeiten, die große Naturverbundenheit, die genetische Konstitution, der hohe Bevölkerungsanteil und auch die ungewöhnliche Struktur von Einsteins Gehirn führen mich zu der logischen Schlussfolgerung, dass es sich beim Einstein-Syndrom weniger um eine komplexe neurologische Störung oder psychische Krankheit, sondern sehr wahrscheinlich um eine evolutionsbedingte Parallelentwicklung der menschlichen Spezies handelt.

 

Die Bestätigung dieser Schlussfolgerung bedarf jedoch weiterer Studien. Deshalb ist sie vorerst als reine Hypothese zu bewerten. Sie wird allerdings auch von Akademikern erwähnt und für möglich gehalten.

 

Darunter Thom Hartmann, ein amerikanischer Psychotherapeut, prominenter Journalist und Autor, der 1997 erstmals in seinem Buch „Eine andere Art, die Welt zu sehen“ die „Hunter/Farmer-Theorie“ aufstellte und somit zum Pionier dieser Hypothese wurde, die jedoch bis heute nicht bewiesen werden konnte und somit nicht offiziell als Theorie anerkannt wird.

In seiner Theorie behauptet Hartmann, dass sich im laufe der Evolution, seit den Jägern und Sammlern der Steinzeit zwei menschliche Spezies entwickelt haben, die sich in ihrer neurobiologischen Funktion wesentlich unterscheiden.

(Hartmann, T. (1997): Eine andere Art, die Welt zu sehen, 12. Auflage, Lübeck: Schmidt-Römhild Verlag)

 

Ein weiterer Vertreter der Hypothese ist Dr. phil. Hannes Brandau, Psychotherapeut und Univ.-Dozent mit dem Schwerpunkt klinischer Sozialpädagogik und Beratung an der Universität Graz.

In seinem Buch „Das ADHS-Puzzle“ greift er systemisch-evolutionäre Aspekte auf und erkennt die besonderen Eigenschaften der ADHS in den Verhaltensweisen der Australischen Ureinwohner (Aborigines) wieder. Er gilt zwar nicht als offizieller Vertreter von Hartmanns Theorie, schließt eine evolutionsbedingte Parallelentwicklung jedoch nicht aus.

(Brandau, H. (2004): Das ADHS Puzzle, 1. Auflage, Wien: Springer Verlag)

 

 

21.8 Schluss

 

Leider werden Menschen wie wir noch heute als ADHS-Kranke mit Dopingmitteln wie Menthylphenidat behandelt, um unsere Verhaltensweisen und unsere spezielle Wahrnehmung den von gewöhnlichen Menschen noch besser anzupassen.

 

Wenn die Medizin endlich erkennt, dass wir mit einem anderen Bewusstsein geboren werden, welches aus unserer genetischen Veranlagung stammt und sehr große Vorteile mit sich bringt, kann vielleicht ein neues Zeitalter für jene Menschen beginnen,  die schon ihr ganzes Leben lang versuchen sich den anderen vermeintlich „normalen“ Menschen anzupassen.

 

„Wenn man nicht gegen den Verstand verstößt, kann man überhaupt zu nichts kommen.“ (Albert Einstein)


 

 

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Einstein-Syndrom 2012-12-21  |  Copyright © 2014 Dirk Lostak